Am 19. Juni 2013 verstarb nach
schwerer Krankheit der langjährige Direktor des Berliner Museums für
Vor- und Frühgeschichte und Landesarchäologe von Berlin, Wilfried
Menghin.
Am 8.4.1942 in München geboren,
studierte er nach seinem Abitur 1963 in München, Gießen und Regensburg
Vor- und Frühgeschichte, Provinzialrömische Archäologie, Ethnologie und
Mittlere Geschichte. Sein Studium schloss er 1971 mit der Promotion zum
„Schwert im frühen Mittelalter“ an der Ludwig-Maximilian-Universität in
München ab. Von 1971 bis 1972 war er Assistent an der Universität
Regensburg, von 1972 bis 1990 am Germanischen Nationalmuseum Nürnberg,
zuletzt als Hauptkonservator und Direktor. 1986 erfolgte seine
Habilitation an der Universität Regensburg.
Im September 1989 bewarb sich Wilfried
Menghin auf die Stelle des Direktors am Museum für Vor- und
Frühgeschichte, dessen gut geordnete reiche Bestände, die personelle
Ausstattung und die finanziellen Mittel den besten Rahmen boten, um
Forschungen und Ausstellungen in großem Stil zu betreiben. Doch bereits
bei seiner Einstellung, am 1. April 1990, hatten die inzwischen
eingetretenen politischen Ereignisse eine völlig neue Situation
geschaffen, in der die Vereinigung der beiden getrennten Museen in Ost
und West nun im Vordergrund stand. Die reibungslose Zusammenführung der
beiden Sammlungen ist einer der großen Verdienste Wilfried Menghins,
der ein starres, nach Hierarchien geordnetes Organisationssystem
ablehnte. Bei der Durchführung von Aufgaben gab er den Mitarbeitern
weitgehend freie Hand und griff nur ein, wenn Probleme auftauchten oder
er glaubte korrigieren zu müssen.
Wilfried Menghins Museumspolitik während
seiner Amtszeit war durch den Gedanken geprägt, dem Museum seine
ehemalige internationale Bedeutung zurückzugeben. Hierzu dienten, neben
zahlreichen Sonderausstellungen, deren Durchführung immer bei den
zuständigen Wissenschaftlern lag, vier große Sonderschauen. Der
Ausstellung „Wikinger, Waräger und Normannen” folgte 1997 die große
Ausstellung „Die Franken – Wegbereiter Europas”, 2002 „Menschen, Zeiten,
Räume. Archäologie in Deutschland” und 2007 „Im Zeichen des Goldenen
Greifen – Königsgräber der Skythen”.
Bei der letzten großen Ausstellung „Im
Zeichen des goldenen Greifen. Königsgräber der Skythen“ im Jahre 2007
zog er sich, nachdem er die Beteiligung des Museums an dem
Ausstellungsvorhaben gesichert hatte, aus Organisation und Ausführung
weitgehend zurück. Grund hierfür war auch die im selben Jahr in Moskau
und Sankt Petersburg gezeigte Ausstellung „Merowingerzeit. Europa ohne
Grenzen“, deren Zustandekommen er mit großem Elan betrieb. Die in dieser
Ausstellung präsentierte „Beutekunst“ ließ ihn, seit er 1995 im
Puschkin Museum den sogenannten Schatz des Priamos besichtigen durfte,
nicht mehr los. Ungeachtet aller politischen Schwierigkeiten bei der
brisanten Thematik der Beutekunst war Menghin immer bemüht die
wissenschaftlichen Kontakte zu den betreffenden russischen Museen
aufrecht zu erhalten, um so den Verbleib der 1945 nach Russland
verbrachten Bestände des Museums zu klären. Durch seine beharrliche aber
auch offene und umgängliche Art erwarb er das Vertrauen der russischen
Kollegen, zu denen dann auch freundschaftliche Kontakte entstanden. Es
gehört sicherlich zu der Tragik seiner Krankheit, dass er den letzten
großen Erfolg seiner Bemühungen, die Eröffnung der großen
Bronzezeitausstellung „Bronzezeit – Europa ohne Grenzen“ in Sankt
Petersburg, nicht mehr erleben durfte.
Doch nicht nur in Russland schätzte man
den Direktor des Berliner Museums. Hatte er nach Antritt in Berlin noch
geglaubt, seine in Nürnberg begonnenen Forschungen in Italien fortsetzen
zu können, so musste er bald erkennen, dass er sich hier in einem
Museum befand, dessen Ausrichtung aufgrund seiner Bestände traditionell
in den Gebieten östlich der Oder lag. Als Direktor des „Westpolnischen
Heimatmuseums“ entstanden kurz nach Amtsantritt vor allem Kontakte nach
Polen. Den polnischen Kollegen bot er dabei jegliche Möglichkeit, die
Bestände des Hauses zu bearbeiten und auch bei der an das MVF
übergebenen Studiensammlung des Prussia-Museums Königsberg sorgte er
dafür – auch wenn er, wie er später zugab, deren Wert nicht wirklich
erkannt hatte –, dass diese erschlossen und der Wissenschaft zur
Verfügung gestellt wurde. Gerade seine Offenheit im Umgang mit den
polnischen Kollegen verschaffte ihm auch hier ein hohes Ansehen und
führte ebenfalls zu engen Freundschaften. Die herzlichen Verbindungen
nach Polen gipfelten in der am 21.6.2001 in Berlin gegründeten
„Kommission zur Erforschung von Sammlungen Archäologischer Funde und
Unterlagen aus dem nordöstlichen Mitteleuropa (KAFU)“, in der deutsche,
polnische, litauische und russische Wissenschaftler sich bemühen, die
archäologische Quellenbasis der im Namen der Kommission aufgeführten
Region wiederherzustellen. Die Initiative hierzu war bereits 1997 von
deutschen und polnischen Fachleuten aus Museen und Universitäten
ergriffen worden.
Die ehemalige Bedeutung des Berliner
Museums suchte Wilfried Menghin auch mit Publikationsreihen, in denen
die vorhandenen Bestände vorgestellt wurden, und durch gezielte Ankäufe
wiederherzustellen. Die von ihm getätigten Erwerbungen, wie den
„Berliner Goldhut“, sah er auch immer als Rettung derart hochrangiger
Objekte für die Wissenschaft.
Als Landesarchäologe von Berlin war es
ihm ein Anliegen, die enge Verbindung zwischen der Landesarchäologie im
Berliner Landesdenkmalamt und dem Museum für Vor- und Frühgeschichte zu
wahren. Auch wenn ihn die aus dem Boden Berlins geborgenen Objekte nicht
immer begeisterten, sah er sein Museum dennoch auch als Ort für die
Präsentation der Berliner Archäologie.
Mit dem Tod Wilfried Menghins verliert
die deutsche Vor- und Frühgeschichte einen Vertreter ihres Faches, bei
dem, neben all seinen Verdiensten in Museum und Wissenschaft, das
Menschliche immer im Vordergrund stand.
Heino Neumayer